1984
Qingbo S. kam aus China und war in Deutschland, um Meeresbiologie zu studieren. Victor brachte ihn eines Tages zum Abendessen zu uns nach Hause. Es stellte sich heraus, dass er ausgebildeter „Barfußarzt“ war und kannte sich in Akupunktur und –pressur aus. Er wollte seine Kenntnisse bei mir ausprobieren und ich willigte ein.
„Auf Anhieb fand er mit seinen Daumen- und Fingerspitzen die Stellen an meinem Arm und an meiner Schulter, wo es mir höllisch wehtat. Es seien Meridianpunkte, erklärte er. Ich schrie, er drückte weiter und schrie mit. Nach zehnminütiger Tortur ließ er los und bat mich, aufzustehen. Ich sollte meinen Arm nun heben. Ich hob ihn, und siehe da, mein Arm stand ausgestreckt, die Faust geballt in luftiger Höhe! Wir waren gleichermaßen verblüfft und lachten erstaunt. Ich stand da mit emporgehobenem rechtem Arm wie die Freiheitsstatue; Qingbo erkannte gleich den proletarischen Gruß, und wir lachten noch mehr. Nun steckte er die rote Mao Bibel in meine rechte Hand, und ich hob den Arm wieder mühelos hoch. Victor holte die Kamera und machte eine Aufnahme. Es war ein gelungener Abend geworden.“
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Am Strand von Dänisch Nienhof an der Ostsee. Karen wirft einen Stein mit der rechten Hand, Victor schaut zu.
„Meine Muskeln waren dermaßen angeregt, dass ich längere Spaziergänge unternahm und dieselben Wege zurücklegte, wie vor dem Unfall. Nur an schwierigen Stellen fasste ich Victors Hand an. Qingbo war häufig dabei, und einmal bei einem Strandspaziergang animierte er mich, Steine mit dem rechten Arm ins Wasser zu werfen. Ich legte mit der linken Hand Steine in die halboffene Rechte und warf. Manchmal flogen sie ins Wasser und manchmal blieben sie in der Hand. Ich freute mich wie ein Kind.“
